Hallo, liebes Forum.
Bevor ich mit meinem Text beginne, möchte ich euch einen ruhigen Karfreitag wünschen. Ich hoffe, ihr genießt den Feiertag.
Seit meiner Trunkenfahrt am letzten Wochenende bin ich hier permanent unterwegs, um mich über das, was vielen euch schon passiert ist, schlau zu machen. Danke, dass es euch gibt und ihr euch auch nach eurer bestandenden MPU um uns, die Leutchen mit Problemen, kümmert - danke, großes Lob für eure Menschlichkeit!

Ich habe bereits viel gelesen und finde es beeindruckend, dass ihr andere aufbaut und durch die schwere Zeit begleitet. Das würde ich mir ebenfalls wünschen, denn ich habe vor, meine gesamte Zeit (seit Verlust der FE bis hin zur evtl. bestandendenen MPU) zu dokumentieren, um vielleicht anderen zu helfen, die ebenfalls komplett am Boden sind. Würde mich freuen, wenn ihr den gesamten Text lesen würdet, denn ich möchte natürlich alles so detailliert wie möglich schreiben und mich euch öffnen, damit wir uns gemeinsam eine schöne Grundlage aufbauen. Nun ja, los geht's.
Zu mir:
Ich heiße Tobi, bin 24 Jahre, bis nächstes Jahr noch Azubi und komme aus NRW. Letztes Wochenende habe ich einen meiner größten Fehler begangen, die mir je passiert sind. Nachdem ich das nun erst mal verarbeiten musste und das ganze Drumherum wie Arbeit und co. regeln musste, möchte ich euch davon erzählen.
Mittags um 13:00 Uhr fing es an. Da ich den Vormittag arbeiten musste, bin ich morgens ganz normal mit dem Auto zur Arbeit gefahren. Weil ich wusste, dass ich an diesem Tag Alkohol trinken werde, hatte ich am Vortag schon eine Rückfahrgelegenheit organisiert - einen Kollegen, der mich abholt. In dem Städtchen, in dem ich arbeite, war ein jährliches Stadtfest - also hatten ein weiterer Azubi, der Praktikant und ich geplant, uns nach der Arbeit etwas zu trinken, da es der letzte Tag war, an dem man wegen verschiedenen Urlaubstagen zusammen arbeitet. Wir besorgten uns 2x6 0,33 Bier und eine Flasche Vodka + Energy. Es fing alles ganz normal an: schön spaßig und wir redeten viel. Nach cirka 4 Bier und 3 0,2 Gläsern Vodka-Energy verließ uns der andere Azubi, da er privat etwas geplant hatte - es war so halb 4. Auf dem Stadtfest ließen es der Praktikant und ich etwas ruhiger angehen, gingen herum, redeten mit Leuten und tranken bis ca. 18:00 Uhr ungefähr noch 2 0,2l Bier. Ich muss erwähnen, gegessen hatte ich bis dato nur 2 Brötchen am Morgen.
Danach fragte ich meinen Kollegen, ob er uns nun abholen könne, da wir nach Hause möchten. Halbe Stunde später war er da und wir brachten erst den anderen Praktikanten und dann mich nach Hause. Mein Auto stand weiterhin in dem ungefähr 20km entfernten Arbeitsstädtchen. So gegen 19 Uhr war ich dann im Bett, da ich mich schon sichtlich angetrunken gefühlt hatte. Allerdings ein wenig durch Whatsapp gescrollt verabredete man sich doch noch zu einem Treffen mit Klassenkameraden, die von der Arbeitsstätte nur wenige Kilometer entfernt wohnen. Ich wurde um 21:00 Uhr abgeholt, um dann gemeinsam wieder zum Fest zu fahren. Halb 10 angekommen trank ich mir erneut ein 0,2l Bier, bis dann so gegen 22:00 Uhr die eintrafen, mit denen man sich verabredet hatte. Man stand herum, aß eine Kleinigkeit und die Zeit verging wie im Fluge. Man ging durch die Stadt in Discos, feierte ein wenig und redete mit den Leuten. Wie es nun mal so ist. Ich weiß es nicht mehr so genau, allerdings glaube ich, dass man zwischendurch verteilt 1-2 Schnäpsschen getrunken hat und dann zum Abschluss gegen 02:00 Uhr noch ein 0,2l Bier. Eine Stunde vorher hatte sich der Kollege, mit dem ich gekommen war, schon verabschiedet, nachdem ich ihm sagte, dass ich mit dem Taxi zurückfahre.
So gegen 02:15 Uhr allerdings der Zeitpunkt, den jeder von uns hier lieber hätte missen wollen. Ich weiß beim besten Willen nicht, welcher Gedanke in mich gefahren ist, dass ich mich ins Auto setzte, um den 20km Heimweg anzutreten. Nach ungefähr 2 Kilometern berührte ich vor einer Kurve aufgrund des Alkohols den Boardstein, wo ich das Lenkrad auf die Seite riss, um nicht auf den Gehweg zu kommen. In der Kurve habe ich dann die Kontrolle verloren, wo ich gegen einen Zaun gefahren bin. Auto vorne Totalschaden, Zaunschaden um die 500€. Hinter mir hielten zwei Damen, die sich äußerst nett um mich kümmerten, um mich erst mal zu beruhigen - der Schock war und ist noch immer riesig. Sie haben für mich den Anruf bei der Polizei übernommen, die dann nach ca. 30 Minuten eintraf. Ich sollte pusten und sie meinten 2 Promille, auch wenn ich das Ergebnis nicht gesehen habe. Selbstverständlich wurde ich mit auf die Wache genommen, das Auto wurde abgeschleppt. Auf der Wache dann das ganze Prozedere mit Blutabnahme und sonstigen Sachen. Ich stand so unter Schock wie noch nie, deshalb denke ich, dass ich mich "recht normal" verhalten konnte und habe mich gegen nichts gewehrt, da mir schon da bewusst wurde, welch Dummheit (das beziehe ich auf mich, nicht auf andere hier) ich angestellt habe. Ich habe Menschenleben gefährdet. Ich hätte mein Leben lang nicht mehr glücklich werden können, wenn "mehr" passiert wäre, auch wenn das so schon schlimm genug ist. Das Ergebnis der Blutprobe habe ich noch nicht. Ich kann es nicht einschätzen - es macht mir Angst zu wissen, dass der BAK-Wert eventuell bei 1,5 oder auch bei 3 Promille liegen kann. Den Führerschein haben sie natürlich direkt einbehalten.
Nachdem ich dann dort fertig war, bin ich mit dem Taxi nach Hause - warum nicht gleich, verdammt!
Am nächsten Tag mit einem dicken Schädel das böse Erwachen: War es nur ein Traum? Nein! Es ist Realität, durch die ich nun durch muss. Die Gedanken fingen fortan an zu kreisen: Was ist mit meiner Ausbildung, in der ich häufig zu Kunden fahre? Was ist mit den ganzen Strafen, die auf mich als Azubi zukommen? Zuerst erfuhr es meine Mutter: Sie schrie verständlicherweise, sie habe es mir immer gesagt, dass ich mein Auto stehen lassen solle, wenn ich Alkohol trinke. Am gleichen Tag erzählte ich es meinem Vater - er reagierte ruhiger, weil ähnliches ist ihm und meinem Bruder auch schon passiert. Natürlich hat er nicht gesagt "Toll, hast du super gemacht!", aber er bot mir direkt Unterstützung an, weil er weiß, wie ich mich fühle. Beide lernten aus dem Fehler, indem sie nie wieder alkoholisiert am Steuer saßen.
Nun, das war Sonntag - der gleiche Tag, an dem es morgens noch passiert ist. Die Nacht konnte ich natürlich nicht schlafen, da mich äußerst viele Sachen quälten: "Du hast Menschen umbringen können!", "Was ist mit deiner Ausbildung?", "du bist jetzt schon alt, was passiert, wenn du aufeinmal arbeitslos bist?" - so rief ich schon morgens um halb 7 meinen Chef an, obwohl ich erst um halb 9 auf der Arbeit habe sein müssen. Ich bin bei weitem nicht nah am Wasser gebaut, doch während des Telefonats wurde meine Stimme immer schwammiger, weil es über mein komplettes Leben entscheiden sollte. Seine Worte: "Kopf hoch, wir kriegen das schon!" - auch wenn er merklich geschockt war. Auf der Arbeit angekommen nahm er mich in den Arm und versicherte mir, dass ich meine Ausbildung weitermachen darf, da wir das alles schon organisiert kriegen würden. Jetzt im Nachhinein bin ich dankbar, dass es noch menschliche Unternehmer gibt, die nicht nur auf das Geld achten. Natürlich fallen meine Kundenfahrten jetzt erst mal weg, allerdings werde ich mich auf der Arbeit so umorganisieren, dass ich das Geld anderweitig einhole. Als Dankeschön für die äußerst menschliche Geste.
Bis dato habe ich schon viel in dem Forum hier herumgestöbert und gemerkt, dass es ein sehr aufbauendes, motivierendes Forum ist - wir alle sind gleiche Menschen. Bei dem Zauninhaber habe ich mich aufrichtig entschuldigt und ihm zugesichert, dass ich seine Rechnung übernehmen werde.
Am Dienstag habe ich schon mit "Psycho" telefoniert, wo ich mich hier noch mal bedanken möchte, dass er mich so herzlich behandelt hat. Auch wenn er nichts dafür bekommt, hat er sich eine halbe um mich gekümmert. Danke!
Im Internet ist es hier leider wie bei Krankheiten, wenn man googelt: "Freiheitsstrafe möglich", "5000€ Strafe", "Sozialstunden" und sonstige derartige Sachen, die ungemein beunruhigen. Dass ich jetzt erst mal auf den Zug umsteigen muss, um zur Arbeit zu kommen, ist mir klar, allerdings ist man gerade wenige Tage später ein "Newbie" mit vielen Unsicherheiten. Seit dem ich 18 bin, habe ich meinen Führerschein. Nie auffällig geworden, somit "Ersttäter". Außer mal ein paar Knöllchen, da die Parksituation auf der Arbeit recht bescheiden ist. Mit Sicherheit bin ich manchmal mit Restalkohol am Tag danach zum Kiosk gefahren, das mag ich nicht beurteilen, da ich es nicht belegen kann. Aber ich habe immer darauf geachtet, dass ich mein Auto stehen lasse und mich um andere Alternativen kümmere, wenn ich irgendwo trinke. Ich finde, den Tattag habe ich den Alkohol missbraucht. Als Alkoholiker möchte ich mich nicht bezeichnen wollen, da ich nie in der Woche getrunken habe und sonst auch nur jedes zweite Wochenende im Stadion mal ein paar Bier, wenn ich nicht arbeiten musste. Zum Stadion sind wir immer mit dem Zug gefahren.
Da ich "gerade mal" 24 Jahre jung bin, möchte ich nicht sagen, dass ich nie wieder trinken werde. Doch jetzt erst mal seit der Tat lange, lange Zeit nichts! Weder zu Feierlichkeiten, noch sonst irgendwo. Ich werde mich darum bemühen, dass ich nun meine Werte ärztlich nachweisen lasse.
Solltet ihr antworten oder auch nur bis hierhin gelesen haben, danke ich euch, dass ihr euch die Zeit genommen habt. Ich werde diesen Thread stets aktuell halten, wenn es etwas Neues gibt. Wäre lieb, wenn ihr mich freundlich in eurem Kreise aufnehmen würdet.
Bis dahin alles Liebe,
Tobi